Teil 6: Glaube

Der Blick zurück

Wie wäre es mit einer Bastelanleitung für ein Rosenkranztäschenchen? Die Archivarin vom Jugendhaus Düsseldorf, Maria Wego, über Marienverehrung, Andachten und Theologie.

Dass der erste Verbandstag des Zentralverbandes der Junfrauenvereinigungen Deutschlands 1925 in dem Marienwallfahrtsort Kevelaer stattfand, ist kein Zufall. Die Marienverehrung nahm besonders in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts bei den katholischen Mädchen eine zentrale Rolle ein. So versinnbildlicht das Abzeichen des Zentralverbandes - ein „M“ und ein Kreuz - die Aussage „Durch Maria zu Christus“. Maria galt aber nicht nur als Vorbild im Glauben, sondern auch als Vorbild „echter Frauenart“, wie es im „Gelöbnis von Kevelaer“ heißt. Reinheit, Treue, Hingabe und Opferbereitschaft waren gemäß des Vorbildes Mariens erstrebenswerte Eigenschaften. Diese sollten für Gott, Kirche, Gesellschaft und Familie gleichermaßen gelebt werden. In der Marienverehrung flossen also Glaube und Rollenbild ineinander. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist jedoch keine vergleichbar ausgeprägte Marienfrömmigkeit mehr zu erkennen.

Der regelmäßige Besuch der Heilige Messe und verschiedener Andachten in der Gemeinde wurde Jahrzehnte lang einerseits immer wieder allen ans Herz gelegt und anderseits als selbstverständlich betrachtet. Die Mädchen trugen in den 1920-er und 1903-er Jahre wie die Jungen die Liturgische Bewegung mit. Sie waren in den Gemeinden oftmals gemeinsam Vorreiter – nicht immer zur Freude der Ortspfarrer und der Gemeinde. Hier war man teilweise der Meinung, dass es sich nicht gehört, wenn „jeder seine Nase in das Messbuch steckt“[i] – also die Texte auf Deutsch liest. Die Jugendlichen konnten sich dabei aber beispielsweise auf Papst Pius X[ii] berufen und so die Messe beten und nicht wie häufig üblich in der Messe den Rosenkranz beten. In der Mitgliederzeitschrift „Der Kranz“ war dazu 1927 zu lesen:

„Mir zog es wehmütig durch die Seele, wenn ich an alle die denke, die man mit schöngeistigen Gebetbüchern zum Gottesdienst ziehen sieht. Das Missale Romanum gehört in die Hand einer Kongregationistin, Bibel und Liturgie sind Kraftquellen, die wir liebgewinnen werden, wenn wir uns die Mühe machen, sie kennenzulernen. So lieb, daß uns später süßliche Gebete gar nicht mehr gefallen. Und wenn du dir den ganzen Schott[iii] nicht kaufen willst (das ganze Meßbuch), dann nimm doch die kleine Volksausgabe für alle Sonn– und Feiertage. Du kannst gewiß sein, so gelangweilt und uninteressiert, wie du es bisher beim Gottesdienst gewesen bist, wirst du nicht mehr sein. Die heilige Feier wird dir zu einem Erleben werden und dein Kirchgang eine nie versagende Quelle des Friedens und des Segens.“[iv]

Rosenkranzgebet, Fronleichnamsprozession oder Kreuzweg – dies alles sind bis heute feste Termine im Kirchenjahr für Katholikinnen und Katholiken. So war - und ist es sicher auch noch - für die Mädchen in den Verbänden. Besonders vor dem Zweiten Weltkrieg gab es jeweils entsprechende Bilder,Texte und Tipps für die Gestaltung der Feste in den Mitgliederzeitschriften. Dazu gehörte beispielsweise 1935 der Kreuzweg „Ja, ich bin ein König“, 1937 eine Anleitung zur Herstellung von Rosenkranz-Etuis und zur Gestaltung eines Altares für die Fronleichnamsprozession. Für die Gruppenleiterinnen gab es weitere Informationen und Anregungen in der Zeitschrift „Die Jungführerin“.

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[i] Dieser Hinweis stammt von Hildegard Exler (1914-2013), die Mitglied der Jungfrauenkongregation St. Rochus Düsseldorf, war und zwischen 2003 und 2013 Maria Wego, Archivarin des Jugendhauses Düsseldorf, in verschiedenen Gesprächen von der Jugendarbeit der Gemeinde berichtete.

[ii] Vgl. Kirchengebet, Düsseldorf 1930, S. 3

[iii] Das Schott-Messbuch, benannt nach dem Benediktiner Pater Anselm Schott, gibt es mittlerweile auch online.

[iv] A. Moll, Liturgische Bewegung in der Jungfrauen-Kongregation, in: Der Kranz 21. Jg, Heft 9, 1927, S. 176.

Wallfahrten waren fester Bestandteil des Verbandslebens. Sie führten zu Wallfahrtsorten mit lokaler oder regionaler Bedeutung wie dem Annaberg in Schlesien, aber auch nach Rom. Die Romfahrt 1935 nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Sie wurde nicht nur von Zentralverband und Müttervereinen (heute Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands kfd) gemeinsam unternommen, sondern fand auch im gleichen Jahr wie die Romfahrt[i] von Sturmschar, Neudeutschland und Pfadfindern statt. Anders als bei den Jungen folgten für die Mädchen aber keine Repressalien durch die Nationalsozialisten. Ihre Romfahrt wurde ausschließlich als Wallfahrt, also als religiöse Veranstaltung wahrgenommen und fand kaum öffentliche Beachtung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die BDKJ-Frauenjugend zunächst noch eigene Wallfahrten durch und setzte damit die Tradition fort: 1955 und 1960 war Rom das Ziel, 1964 Israel und Chartres-Lourdes-Paris. Ab Ende der 1960-er Jahre, also in der Zeit in der die Gliedgemeinschaften Frauen- und Mannesjugend die Katholische Junge Gemeinde gründeten, sind reine Mädchen- bzw. Frauenwallfahrten nicht mehr zu finden.

Wie bei dem Ökumenischen Kreuzweg der Jugend, der Korbinianswallfahrt oder spirituellen Angeboten in den Pfarrgemeinden engagiert sich die katholische Jugend heute nicht mehr getrennt nach Jungen und Mädchen. War vor dem Zweiten Weltkrieg durch den gemeinsamen Präses eine enge Verbindung zwischen Zentralverband und Müttervereinen vorhanden, so besteht heute keine enge Verbindung zu den Frauenverbänden mehr. Damit verwundert es nicht, dass die BDKJ-Frauenjugend sich nicht an dem Weltgebetstag der Frauen beteiligt oder an der Wallfahrt zur Frauenfriedenskirche in Frankfurt am Main, deren Bau sie mit Spenden in den 1920-er Jahren unterstützt hatte.

_____________________________________________________________________________________________[i] Vgl. Verbot 1939. Das Volk soll sehen, was ist und wo wir stehen, Website Jugendhaus Düsseldorf-Wir über uns-Geschichte, Stand Januar 2016.

Von 1961 bis 1974 führte die BDKJ-Frauenjugend den Theologischen Fernkurs durch. Er ist nicht zu verwechseln mit Theologie im Fernkurs, einem Angebot der Domschule Würzburg im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz. Der Kurs wurde unter der Federführung der Bundesvorsitzenden Theresia Hauser entwickelt und richtete sich an Gruppenleiterinnen sowie allgemein an Interessierte ab 18 Jahren. Für die Durchführung zeichnete Dr. Edeltraud Staimer verantwortlich. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass der Kurs nicht zur Berufsausübung dienen sollte. Es ging vielmehr darum, über den Glauben Auskunft geben zu können, zu Glaubensgesprächen in der Familie zu befähigen und zur Verlebendigung der Gemeinde beitragen zu können. Der Theologische Kurs dauerte zwei Jahre und umfasste 36 Lehrbriefe. Ferner gehörte der Besuch dreier Studienwochen dazu, in denen Prüfungsgespräche geführt wurden. Zudem galt es noch drei Hausarbeiten zu schreiben. Der Aufbau ähnelt dem des Würzburger Kurses, der aber – so Bundespräses Walter Böcker 1974 – „bei der Konzipierung unseres bisherigen Kurses noch nicht existierte“.[i] Der Theologische Fernkurs der BDKJ-Frauenjugend war also ein eigenes Produkt speziell für die Mitglieder und mit durchaus hohem Anspruch.

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[i] Walter Böcker an die Interessierten am Theologischen Fernkurs, Düsseldorf 9.8.1974, in: Archiv des Jugendhauses Düsseldorf A 3350 – Korrespondenz.

Der Blick nach vorn 

Und heute? Claudia Gebele aus dem BDKJ-Frauenpräsidium über die Auseinandersetzung mit dem Glauben in der Mädchen(verbands)arbeit.

Anmerkung: Die Überschriften sind aus "Der Anteil der Verbände an der Sendung der Kirche. Beitrag zu einer Theologie der Verbände. Kapitel 4. 2015" entnommen.