Teil 2: Freizeit

Der Blick zurück

Beatles-Bastelbogen, Sport, Rezepte und so vieles mehr - die Archivarin vom Jugendhaus Düsseldorf, Maria Wego, mit einem Rückblick auf die Freizeitangebote und ihren Wandel in der Mädchenverbandsarbeit.

Katholische Mädchenverbandsarbeit widmete sich von Beginn an nicht nur den Themen Glaube und Kirche, sondern auch dem Thema Freizeit. Artikel in den Mitgliederzeitschriften oder Buchpublikationen geben davon Zeugnis. Es gab Tipps für die Gestaltung von Gruppenstunden, Berichte von Ausflügen und Reisen oder Bastel-, Koch- und Nähanleitungen und Fitnesstipps. Über Jahrzehnte war das Thema Freizeit geprägt vom Rollenbild des Mädchens als zukünftiger Hausfrau und Mutter. Wie bei anderen Themen so ist im Laufe der 1950er-Jahre aber auch hier eine Veränderung zu erkennen: Im Mittelpunkt stand nun mehr die persönliche Entwicklung und das Leben der jungen Mädchen als ihre zukünftigen Aufgaben. Zwei Titelseiten der Zeitschrift „Der Brunnen“ aus den Jahren 1951 und 1959 kennzeichnen diesen Wandel:

Als Mitte der 1960-er Jahre die Zeitschriften für Mädchen und Jungen zusammengelegt wurden, entwickelten sich die Zeitschriften mehr zu Jugendzeitschriften, denen man die Konkurrenz der Bravo ansieht. Berichte über die Beatles, Starbilder von Pierre Brice oder Reportagen der „topklicke“, einer eigenen jugendlichen Reportgruppe, wurden nun veröffentlicht und zeigen, was Jugendliche damals interessierte - zum Beispiel auch mal einen Beatles-Bastelbogen. 

Bücher, Filme und Musik wurden regelmäßig vorgestellt. Inwieweit sie den Geschmack der Leserinnen trafen, lässt sich heute kaum sagen. Ein Blick in das Programm des Verlags Haus Altenberg zeigt jedoch, welches Ziel seitens der Verbandes verfolgt wurde: Bücher sollten unterhalten, bilden und bei der Gruppenarbeit helfen. Beispielhaft sei an dieser Stelle zum einen das Buch „Ein Mädchen namens Ursula“ von 1953 genannt, das die Geschichte einer jungen Frau mit jüdischen Familienwurzeln in der Zeit des Nationalsozialismus erzählt; zum anderen ist das Buch „Rund ums Kochen“ aus dem Jahr 2013 zu erwähnen, das Rezepte für 10 bis 60 Personen anbietet. Sicher ist, dass Liederbücher wie „KlingKlang“ oder „Singebronn“, die der Zentralverband der Jungfrauenvereinigungen Deutschlands herausgab, Absatz fanden. Gemeinsam bei Gruppenstunden oder unterwegs zu singen, war (und ist?) beliebt, und eine „Klampfe“[i] war immer dabei.

 

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[i] Klampfe = Gitarre

Angesichts einer Sechs-Tage-Woche und oft beengten Wohnverhältnissen in den Städten kam der Erholung schon früh ein großer Stellenwert zu. Ausflüge und Wanderungen in die nähere Umgebung gehörten ebenso zum Programm wie Reisen, die oft auch religiöse Seiten hatten. Beispiele sind das Liefrauenhaus als Erholungsheim, heute Haus Venusberg, und die Romfahrt des Zentralverbandes der Jungfrauenvereinigungen Deutschlands 1935. Reisen und Ausflüge hatten ab den 1950-er Jahren aber verstärkt den Anspruch etwas von der Welt zu sehen und das Leben der Menschen in anderen Ländern kennenzulernen. So reiste die BDKJ-Frauenjugend 1964 nach Israel, wo sie Kontakte zu einer Schule in Beit Sahour bekam, die später nach dem damaligen BDKJ-Bundespräses Frauenjugend Peter Nettekoven benannt wurde.

Feriengarderobe - Tipps aus "Der Brunnen" 1960 (Foto: Archiv Jugendhaus Düsseldorf)

Breiten Raum nahmen lange Zeit Handarbeiten ein. Dabei ging es um Mode, aber bis in 1950er-Jahre hinein auch um Paramente. Dieses „Apostolat der Nadel“ kam vor allem Gemeinden in der Diaspora zugute. Bei dem Thema Mode stellte sich selbstverständlich zudem immer die Frage, was ein katholisches Mädchen tragen kann. Das Thema Mode „sollte aber keine moralische Abhandlung“ sein, „die bloß die Mauerblümchen rührt und anspricht, weil sie ihre Unscheinbarkeit (die von Hemmungen , Schüchternheit oder auch mangelnder geschmacklicher Sicherheit herrühren kann), zu höheren Tugenden erhebt. Man könne vielmehr muntere Streitgespräche darüber führen, nützliche Tipps geben und „damit am Ende auch die rechte innere Einstellung und Haltung“ vermitteln, heißt es weiter in einem Beitrag in der Zeitschrift „Die Jungführerin“.[i]

 

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[i] Kritische Moden-Schau, in: Die Jungführerin Heft 5 1956/57, S. 287.

Ebenswo waren Kochrezepte bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fester Bestandteil der Mitgliederzeitschriften. Sie waren meist für den kleinen Geldbeutel bestimmt, da die Mädchen und jungen Frauen mehrheitlich nicht den wohlhabenden Bevölkerungsschichten angehörten. Wie sehr Kochrezepte nicht nur Auskunft über die Zielgruppe geben, sondern auch über die Zeit, zeigt ein Rezept für eine Fleischersatzspeise aus dem Jahr 1929: Grund ist nicht mehr Nahrungsmittelmangel wie noch direkt nach dem Ersten Weltkrieg, sondern gesunde Ernährung. 

 

Vieles von dem, was heute auch im Freizeitbereich für Mädchen selbstverständlich ist, musste zunächst mit langem Atem errungen werden. Dies gilt auch für den Sport. Fragen nach Sitte und Anstand wurde anfänglich dabei ebenso diskutiert wie die körperliche Belastbarkeit der Frau. Bereits im November 1927 stellte der Zentralverband der Jungfrauenvereinigungen Deutschlands mit Aenne van Royen eine Sportreferentin ein. Das Bild von einer für das katholische Mädchen angemessenen sportlichen Betätigung wird deutlich, wenn man einen Blick auf ein Sportkleid wirft, dass 1933 zum Nachnähen empfohlen wurde.

Der Blick nach vorn 

Und heute so? Pfadfinderinnen erzählen im Interview was für sie ihren Verband aus macht, welche Aktivitäten sie schätzen und was für Erlebnisse sie dort machen.

Interview: "Pfadfinderin sein ist cool" 

Pauline (11), Pia (11), Paula (13) und Marie (17) vom PSG-Stamm Burtscheid und Katharina (13) vom PSG Stamm Immerath machen sich Gedanke über ihre Aktivitäten in ihrem Verband, der Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG).  

Katharina: Bei meinen Freunden sein. Haiken, Lagerfeuer bzw. Stockbrot. Ich finde es außerdem immer toll, wenn wir Stammeswochenende und -tag haben. Wir lachen dort viel und machen immer coole Sachen.

 

Pauline: Heute backen wir wie jedes Jahr für den Tannenbaumverkauf. Das macht immer riesig Spaß, weil man dabei so viel Quatsch machen und quatschen kann. Ansonsten: Ins Lager fahren ist das coolste; basteln, da vor allem: Armbänder, Ketten und Halstuchmuck. Naja und das Beste ist eigentlich Freundinnen zu treffen.

 

Pia: Wenn Pauline nicht bei der PSG wäre, würden wir uns nicht so regelmäßig treffen. Ich glaub dann wären wir gar nicht so gut befreundet!

 

Marie: Ich bin sehr gerne mit der PSG unterwegs, z.B. auf einem Zeltlager oder in unserem Haus in Krekel, weil sich dort immer eine sehr starke Gemeinschaft aufbaut. An Aktivitäten machen mir Geländespiele und kreative Sachen wie Basteln sehr viel Spaß.

 

Paula: Bei mir ist das ähnlich. Fahrten - egal ob Sommerlager oder Stammeswochenenden, Freundinnen treffen und Quatsch machen mit unserer Leiterin. Die ist nämlich voll nett! In den Gruppenstunden machen wir sowas wie: ein Video drehen. Da haben wir erst das Drehbuch selbst geschrieben und dann den Film gedreht. Das war super! Sonst machen wir oft Sachen wie basteln, in den Wald gehen, Schnitzeljagd spielen, Hütten bauen, Spiele spielen und natürlich quatschen. Quatschen - machen wir eigentlich immer.

Pia: Es ist auch mal cool, was ohne Jungs zu machen, die sind halt sonst überall. Und man kann mit Mädchen über alles sprechen – weil es halt Mädchen sind.

 

Paula: Wir machen bei der PSG auch einfach besondere Sachen. Vor allem ist mir aber wichtig, dass man vieles zusammen macht.

 

Marie: Ich finde, dass bei der PSG eine ganz besondere Gemeinschaft ist. Außerdem finde ich die Prinzipien der PSG sehr gut, z.B. dass man alles selbstständig ausprobieren kann und dass auch Jüngere viel mitbestimmen können.

 

Katharina: Mir sind die Leute dort wichtig, und wir haben immer viel Spaß. Außerdem ist man gleichzeitig auch sozial engagiert, weil man sich (ganz besonders in den Pfadfinderverbänden) für den Frieden und vieles mehr einsetzt.

Pia: Naja den Hike, weil wir eben Pfadfinderinnen sind. Sonst bin ich noch nie mit Karte und Kompass losgegangen und habe mir eine Route ausgedacht. Es ist eben schon so, dass wir einfach Sachen ausprobieren können, auf die wir Lust haben.

 

Pauline: Und besonders toll ist im Lager das Lagerfeuer mit Stockbrot. Oder aber das gemeinsame Kochen im Lager. Das mache ich zu Hause ja auch nie.

 

Katharina: Diese verrückten und lustigen Spiele spielen! Die sind einzigartig und das können auch nur echte Pfadfinder. Außerdem bin ich nie so oft in der Natur wie bei der PSG!

 

Paula: Ich finde noch das Lagermöbel bauen und im Lager darauf gemeinsam zu leben sehr cool.

 

Marie: Ich kann mich in meiner Gruppe schon mal sehr verrückt benehmen, ohne dass es jemanden stört.

 

Pauline: Ich bin bei den Pfadfinderinnen anders – viel freier irgendwie. Ich traue mich, jeden Quatsch mitzumachen und sag viel mehr meine Meinung.

Katharina: Mir ist wichtig, dass wir lange bestehen bleiben, dass wir eine Gemeinschaft bleiben und keine getrennten Wege gehen!

 

Pia: Dass wir keinen Streit haben; und natürlich Spaß.

 

Marie: Ich finde es eigentlich am wichtigsten, so viel selbstständig machen zu können und dass einem alles zugetraut wird. Dadurch lernt man sehr viel und traut sich selber auch mehr zu.

 

Pauline: Man „muss“ nicht immer alles, sondern darf einfach das machen, was man möchte und darf mitbestimmen, was man möchte. Das darf ich sonst zu Hause nicht – das ist eigentlich das coolste an der PSG.

Interview: Jede kann sein wie sie will

„Bei der PSG habe ich immer die Chance, neue Dinge auszuprobieren!“ Auch die 17-jährige Celine vom PSG Stamm Burtscheid ist begeisterte Pfadfinderin. Dort kann sie ganz sie selbst sein – ohne einengende Stereotypen wie „typisch Mädchen“ oder „typisch Junge“.

Ich liebe es, abends mit allen am Feuer zu sitzen, zu singen, Stockbrot über das Feuer zu halten und einfach mal Pause zu machen.  Dabei entsteht bei mir häufig ein Gefühl der Zufriedenheit. Die Gemeinschaft mit den anderen aus meinem Stamm oder mit anderen Pfadfinder(innen) wird mir dabei immer wieder deutlich. Man singt zusammen, redet und lacht. Und auch wenn die anderen zu Beginn noch Fremde waren, so lernt man sich am Feuer und generell bei den Pfadfindern schnell kennen. Ganz wichtig finde ich gemeinsame Lager, Wochenenden und Aktionen, bei denen man immer wieder neue Dinge tut, Spaß hat und die Zeit genießen kann. Ich freue mich immer, wenn man bei sowas sieht, dass die Kinder die Zeit genießen und sich die ganze Vorbereitung gelohnt hat.

 

Außerdem habe ich bei der PSG immer die Chance, neue Dinge auszuprobieren. Schon als Kind hat man gelernt mit anzupacken, seine Meinung zu vertreten und immer wieder neue Dinge zu versuchen. Selbst wenn mal irgendwas nicht so toll funktioniert, kann man es einfach noch mal versuchen, ohne dafür schief angeguckt zu werden. Als Leiterin versuche ich, das an meine Gruppe weiterzugeben. Seit ich in unserem Stamm eine Gruppe leite, freue ich mich immer, wie die Kinder sich weiterentwickeln, wie sie mutiger und selbstbewusster werden oder lernen, auch mal andere in den Mittelpunkt zu stellen. Eine weitere Sache, die ich bei der PSG so mag: Jede kann sein wie sie will und sich ausprobieren, um zu finden, wie sie wirklich ist. Niemand muss sich verstellen, um den anderen zu gefallen. Für mich bedeutet die PSG einfach, dass ich so sein kann wie ich bin und so akzeptiert werde. Ohne mich für dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich Spaß habe mit meinen Freunden, Mitleitern und den Kindern, dass man auf Lager fährt und Hiken geht und dass man die Zeit einfach genießen kann.

Für mich ist es besonders, das in einem Pfadfinderinnen-Verband zu machen, da ich hier die Chance bekomme, auch als Mädchen und Frau Dinge auszuprobieren, die in der Gesellschaft eher als Männersachen angesehen werden. Zu sehen, dass man das auch alleine schafft, dass man stark genug ist, gibt einem mehr Selbstvertrauen und macht einen irgendwie auch stolz. Diese Erkenntnis, dass man das auch schaffen kann, nehme ich immer wieder mit in meinen Alltag und lasse mir auch von keinem einreden, dass ich das als Mädchen nicht schaffen kann. Manchmal dauert es vielleicht was länger oder man braucht doch mal Hilfe, doch ich finde, das Wichtigste ist, es überhaupt zu versuchen. Bei der PSG gibt es meiner Meinung nach keine Dinge, die „typisch Mädchen“ und „typisch Junge“ sind.

Mir ist es besonders wichtig, dass jede die Möglichkeit hat, ganz sie selbst zu sein, den Alltag eine Weile hinter sich zu lassen und Zeit mit Menschen zu verbringen, die man mag und mit denen man die Zeit einfach genießen kann, ohne irgendwelchen Ansprüchen genügen zu müssen.

In der PSG Gruppe fällt es mir leichter zu sagen, was ich denke und zu sein, wie ich bin. Außerdem übernehme ich hier schneller Verantwortung und traue mich, vor Gruppen zu sprechen, auch wenn ich nicht jeden gut kenne. Auch wenn mir das mittlerweile auch sonst immer besser gelingt, habe ich bei der PSG am schnellsten das Vertrauen, um mich so zu verhalten. Hier komme ich viel schneller aus meiner Haut und bin dann auch schneller für (verrückte) Ideen zu haben.

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Und wie fing alles an und welche Themen sind heute wichtig? Hier geht es zum ersten Teil zu "100 Jahre Mädchen(verbands)arbeit zum Thema "Der Verband". Teil 3: Politik