Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den Jugendverbänden und den Strukturen des BDKJ  

Mit dem Beschluss „Aufarbeitung im BDKJ – Faktoren erkennen, verändern, verhindern“ hat die Hauptversammlung im Mai dieses Jahres festgelegt, wie Fälle sexualisierter Gewalt in den Jugendverbänden und Strukturen des BDKJ aufgearbeitet werden sollen. Seither arbeiten die Kommission zur Vorbereitung sexualisierter Gewalt im BDKJ und der BDKJ-Bundesvorstand intensiv an der weiteren Ausgestaltung des Prozesses. 

Handreichung & Website zum Aufarbeitungsprozess im BDKJ 

Die Kommission zur Vorbereitung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im BDKJ hat eine Handreichung erstellt, die euch innerhalb dieses Prozesses Orientierung geben soll. Sie besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil gibt einen Überblick über grundsätzliche Hinweise, Perspektiven und Fragestellungen, aus denen heraus Aufarbeitung zu betrachten ist und ergänzt die Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung aus verbandlicher Perspektive. Im zweiten Teil wird der Prozess zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im BDKJ in Schaubildern dargestellt. Diese zeigen, welche Akteur*innen in den Prozess eingebunden sind und welche Aufgaben auf die Diözesan- und Jugendverbände zukommen.

Seit dieser Woche gibt es auf unserer Website außerdem eine eigene Rubrik zum Aufarbeitungsprozess. In Ergänzung zur Handreichung gibt diese einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und Informationen, die mit dem Voranschreiten des Prozesses fortlaufend aktualisiert und um zusätzliche Materialien erweitert wird. Ihr könnt dort nachlesen, was bisher geschehen ist, was gerade auf Bundesebene geschieht, wie ihr euch aktuell einbringen könnt, und welche Schritte in Zukunft noch vor uns liegen. Außerdem gibt es ein FAQ mit weitergehenden Fragen und Antworten. Ihr erreicht die Website unter folgendem Link: bdkj.de/aufarbeitung.

Aufarbeitung sexualisierter Gewalt braucht finanzielle Ressourcen 

Von Gregor Podschun, BDKJ-Bundesvorsitzender

Die Jugendverbände und der BDKJ haben sich zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt verpflichtet und wissen, dass gelingende Aufarbeitung personelle und finanzielle Ressourcen braucht. Die Finanzierung des Aufarbeitungsprozesses in den Strukturen der Jugendverbände sowie des BDKJ ist eine der größten Herausforderungen. Als Teil der katholischen Kirche sieht der BDKJ die Deutsche Bischofskonferenz in der Verantwortung, entsprechende finanzielle Mittel in Höhe von mindestens 800.000 € für einen 3-jährigen Prozess zur Verfügung zu stellen. Davon sollen die Durchführung eines Forschungsprojektes sowie die Einrichtung einer Anlaufstelle des BDKJ und die Einrichtung einer Aufarbeitungskommission finanziert werden. Die Bischöfe müssen davon überzeugt werden, dass insbesondere das Forschungsprojekt wertvolle Erkenntnisse für die Prävention sexualisierter Gewalt liefern wird. Im Gegensatz zur MHG-Studie sowie den Studien und Gutachten der Diözesen wird in katholischen Strukturen…

  1. … nach Ursachen sexualisierter Gewalt im jugendverbandlichen Kontext gefragt: Es werden Fragen an einen Kontext gestellt, der bereits partizipativ, demokratisch und selbstbestimmt agiert sowie Lai*innen in Führungspositionen mit Amtszeitbegrenzungen hat. Die Risikofaktoren sexualisierter Gewalt, die die MHG-Studie benennt, sind bereits abgeschwächt. 

  2. … erstmals Peer-Gewalt untersucht: Sexualisierte Gewalt geschieht auch von jungen Menschen an jungen Menschen. Diese Gewaltformen wurden bisher im katholischen Bereich nicht untersucht. 

  3. … vorrangig ehrenamtliche Strukturen betrachtet: Die Studien und Gutachten der Diözesen haben vor allem Fälle betrachtet, bei denen die*der Täter*in hauptberuflich in der Kirche tätig oder sogar Priester war. Ehrenamtliche Strukturen sind bisher kaum bis gar nicht erfasst. 

  4. … explizit Jugendarbeit als Handlungsfeld abgegrenzt: Die Studien und Gutachten der Diözesen lassen eine Abgrenzung von jugendpastoralen Handlungsfelder nicht zu. Für eine gelingende Präventionsarbeit in der kirchlichen Jugendarbeit sind solche Erkenntnisse aber notwendig. 

  5. … bundesweit einheitlich geforscht: Nach der MHG-Studie gab es bisher nur Studien und Gutachten in den Diözesen, was immer wieder kritisiert wird, da u.a. eine Vergleichbarkeit fehlt. Wir wollen die gesamte Landschaft der Jugendverbandsarbeit in Deutschland einheitlich untersuchen. 

Die Jugendverbände und der BDKJ haben sich zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bekannt und beraten auch zu schmerzhaften Entscheidungen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Um die katholische Jugendverbandsarbeit jedoch nicht nachhaltig zu beschädigen, müssen auch die Bischöfe ihrer Verantwortung zur Aufarbeitung weiterer Strukturen gerecht werden und die entsprechenden finanziellen Mittel bereitstellen. Dafür müssen wir uns gemeinsam bei den Bischöfen und Generalvikaren sowie bei der Bischofskonferenz einsetzen. 

Anerkennung des Leids, was Betroffenen sexualisierter Gewalt zugefügt wurde 

Von Gregor Podschun, BDKJ-Bundesvorsitzender

Der BDKJ-Bundesvorstand konnte im Rahmen des Prozesses zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den Strukturen der Jugendverbände und des BDKJ klären, dass die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz auch Anträge Betroffener aus jugendverbandlichen Strukturen über die Ansprechperson der Diözese oder der Ordensgemeinschaft entgegennimmt. Dies gilt auch für Taten, bei denen die Täter*innen nicht bei kirchlichen Organisationen hauptberuflich beschäftigt waren/sind. Alle Betroffenen sexualisierter Gewalt in jugendverbandlichen Kontexten können somit bereits jetzt Anträge an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen richten.

Weitere Informationen: anerkennung-kirche.de

Ungeklärt sind allerdings Fälle, die nicht einer Diözese zuzuordnen sind und somit in der Zuständigkeit einer Ansprechperson einer Diözese liegen. In Gesprächen, die der BDKJ-Bundesvorstand führte, zeigt sich, dass beispielsweise bundesweite Veranstaltungen nicht in den Strukturen berücksichtigt sind und auch das Belegenheitsbistum eines Jugendverbands auf Bundesebene oder der BDKJ-Bundesstelle bisher nicht zuständig ist. Der BDKJ-Bundesvorstand ist weiterhin um Klärung bemüht.

Haftung von Vorständen für Fälle sexualisierter Gewalt 

Von Gregor Podschun, BDKJ-Bundesvorsitzender

Kirchenrechtliche Haftung 

Der BDKJ-Bundesvorstand hat sich zu kirchenrechtlichen Haftungsfragen beraten lassen und konnte in Erfahrung bringen, dass eine kirchenrechtliche Haftung für jugendverbandliche Vorstände für in der Vergangenheit liegende Fälle sexualisierter Gewalt in der Regel nicht besteht. Wenn Vorstände jedoch bei aktuellen Fällen ein Handeln unterlassen, sind sie haftbar. 

In der Regel ist nach geltendem Kirchenrecht der Bischof, der Ordensobere oder ggf. ein Priester haftbar. Seit dem Inkrafttreten der Interventionsordnungen der Diözesen sind weiterhin hauptberufliche Mitarbeiter*innen dienstrechtlich haftbar, wenn sie eine Pflicht (bspw. Meldepflicht von Fällen) unterlassen. Es gilt ggf. im Einzelfall zu prüfen, wann der*die entsprechende Mitarbeiter*in bei welchem kirchlichen Anstellungsträger tätig war und ob dieser Träger in die Haftung einbezogen ist. Wichtig ist jedoch: Wenn mutmaßliche Täter*innen noch leben oder gar noch beschäftigt sind, besteht die Pflicht, Informationen über die Taten entsprechend weiterzugeben und ggf. zu prüfen, wo diese Person zurzeit tätig ist.

 

Strafrechtliche Haftung 

Der BDKJ-Bundesvorstand hat sich ebenfalls zu strafrechtlichen Haftungsfragen beraten lassen. Ob eine strafrechtliche Haftung von Vorständen besteht, kann nicht pauschal beantwortet werden und muss im Einzelfall geprüft werden. Es könnten Haftungen für verschiedene Straftatbestände bestehen (bspw. Beihilfe). Jeder Fall muss einzeln auf diese Straftatbestände sowie auf Verjährung geprüft werden.

Mit Beginn des Forschungsprojekts, bei dem möglicherweise neue Taten bekannt werden, wird der BDKJ-Bundesvorstand nach Beratung durch Expert*innen Empfehlungen an die Vorstände und Rechtsträger zum Umgang mit der strafrechtlichen Haftung an die Strukturen der Jugendverbände und des BDKJ geben.

Aufarbeitung von Machtmissbrauch in der DPSG 

Von Christina Koch, Referentin Kinder- und Jugendschutz im Bundesamt der DPSG

Im Herbst 2020 hat die Bundeversammlung der DPSG die „Institutionelle Aufarbeitung von Machtmissbrauch in der DPSG” beschlossen. Kernpunkte der Diskussion zu diesem Beschluss waren, neben dem Hauptthemenfeld der sexualisierten Gewalt, die Aufnahme bzw. Betrachtung von spiritueller Gewalt als ein Schwerpunkt der Aufarbeitung und die Beteiligung unserer Mitglieder in den unterschiedlichen Ebenen. Unserer Versammlung war es ein besonderes Anliegen, dass niemand aus dem Verband bei dieser wichtigen Thematik abgehängt wird. Eine Herausforderung bei der Größe unseres Verbandes, aber ein Wunsch dem wir bestmöglich nachkommen wollen.

Unsere Bundesversammlung macht deutlich, dass wir als DPSG Verantwortung für Machtmissbrauch in unserer Vergangenheit übernehmen wollen und uns deutlich und sichtbar zu dieser Thematik positionieren. Doch wir merken auch, dass die Komplexitäten von Thematik und Verband uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellen, mit deren Bewältigung wir bisher aber relativ zufrieden sind. 

Im Fokus unseres Aufarbeitungsprozesses stehen die Betroffenen, welche Leid in unseren Strukturen erfahren mussten. Hier ist es uns ein besonderes Anliegen den Zugang zur Beteiligung an der Aufarbeitung möglichst niedrigschwellig zu gestalten.  Wir sehen uns in der Pflicht, als Menschen und als Verband Betroffenen ehrlich zu begegnen, ihnen zuzuhören und ihren Sichtweisen und Bedürfnissen Gehör zu verschaffen.

In den Vorbereitungen auf den gesamten Prozess wurde uns als Bundesverband wieder deutlich, wie unterschiedlich und divers unser Verband ist. Die Vielfalt der Kulturen in Stammes-, Bezirks- und Diözesanebene braucht besondere Aufmerksamkeit um allen gerecht werden zu können und alle zu erreichen. Seit dem Sommer 2021 haben wir deswegen mehrere Informationsveranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen angeboten und somit auch eine Einbindung in unseren Aufarbeitungsprozess geschaffen. 

Inzwischen haben wir einen multiprofessionellen Beirat, welcher den Aufarbeitungsprozess begleiten wird. Dieses Gremium, das Betroffene, Fachpersonen, Verbandsvertretungen und weitere beratende Mitglieder vereint, entscheidet zum Beispiel über das Forschungsteam, welches den Prozess durchführen wird. Nach der Besetzung dieses Aufarbeitungsteams soll dann auch der nächste Schritt erfolgen und auch eine größere Öffentlichkeit hergestellt werden. Die Ausschreibung zu unserem Forschungsteam und weitere Informationen zu unserem Prozess findet man unter dpsg.de/de/aufarbeitung

Mit dem BDKJ sind wir in regelmäßigem Austausch zu unseren jeweiligen Prozessen, Vorhaben und Zielen. Außerdem ist Gregor Podschun aus dem Bundesvorstand des BDKJ beratendes Mitglied in unserem Beirat.

Christina Koch, Referentin Kinder- und Jugendschutz im Bundesamt der DPSG 

Schritt für Schritt den Aufarbeitungsprozess gestalten 

Die Kommission zur Vorbereitung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im BDKJ und der BDKJ-Bundesvorstand werden in der kommenden Zeit weitere Schritte im Prozess zur Aufarbeitung gehen und immer wieder neue Informationen veröffentlichen.  

Demnächst erwarten euch: 

  • Eine gemeinsame Kommunikationsstrategie gegenüber kirchlichen Verantwortungsträgern sowie der Öffentlichkeit. Diese dient zum einen der öffentlichen Kommunikation des Prozesses sowie den Ergebnissen der Vorstudie und zum anderen dem Einwerben von finanziellen Mitteln der Diözesen. 

  • Die Besetzung der Aufarbeitungskommission. Diese erfolgt in einem Teil durch die BDKJ-Hauptversammlung und zu einem anderen Teil durch den BDKJ-Bundesvorstand mit Bestätigung durch die BDKJ-Hauptversammlung. Der BDKJ-Bundesvorstand ist zurzeit in Gesprächen mit Betroffenenvertreter*innen sowie potenziellen Kandidat*innen für die Aufarbeitungskommission. 

  • Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Vorstudie. Die Ergebnisse sind vor allem gesammelte Daten der Universität Münster in Vorbereitung des Forschungsprojektes. 

  • Die Klärung von möglichen Vertragsschlüssen zwischen dem BDKJ-Bundesstelle e.V. und den Rechtsträgern der Jugendverbände und BDKJ-Strukturen. Zur rechtssicheren Abwicklung ist ggf. ein Vertragsschluss notwendig. Der BDKJ-Bundesvorstand lässt sich hierzu zurzeit anwaltlich beraten. 

Weitere Informationen, die laufend aktualisiert werden, findet ihr auch auf der neuen Website: bdkj.de/aufarbeitung

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