Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Arbeitsmarktpolitik
(vgl. Kapitel 2.1 des Koalitionsvertrags)

Zusammenfassung

Der Koalitionsvertrag sieht Strukturanpassungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik vor. Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose sollen passgenau qualifiziert und bei Bedarf betreut werden, um sie in existenzsichernde Arbeit zu vermitteln. Ein besonderes Augenmerk soll auf Personengruppen mit Langzeitarbeitslosigkeit, die massive Unterstützung brauchen, gerichtet werden. Vor allen Dingen sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gewonnen werden diese Gruppe einzustellen. In der Steuerung der Grundsicherung soll die Vermeidung von Langleistungsbezug der Schwerpunkt sein.

Im Übergang von der Schule in die Ausbildung und den Beruf, soll der erfolgreiche Ausbildungs- und Berufseinstieg  für leistungsschwache Jugendliche erleichtert werden. Jugendberufsagenturen sollen flächendeckend die Leistungen nach dem SGB II, SGB III, SGB VIII, für unter 25-Jährige bündeln. Für junge Erwachsene soll das so genannte „Spätstarter-Programm“ die Nachqualifizierung ermöglichen. Im Falle einer wirtschaftlichen Krise soll die bewährte Sonderregelung zur Kurzarbeit wieder in Kraft treten. Ein Arbeitslosengeld von überwiegend kurzfristig Beschäftigten, insbesondere im Kulturbereich, soll umgesetzt werden. Es soll zu Rechtsvereinfachungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende kommen. Die Arbeitsförderung soll stärker an den Bedürfnissen von Frauen und ihren häufig unterbrochenen Erwerbsbiografien ausgerichtet werden

Bewertung

Im Bereich der Förderung von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen bleibt das Instrument der geförderten Beschäftigung im Koalitionsvertrag außen vor. Zur Gruppe der Menschen, die zur Integration und Teilhabe des Instruments der geförderten Beschäftigung bedürfen, gehören auch Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren. Für diesen Teil der jungen Langzeitarbeitslosen fehlt es hiermit an einem nachhaltigen Instrument, das einen mehrjährigen Verbleib im geförderten Arbeitsmarkt ermöglicht. Integration und Teilhabe ist für diese Zielgruppe somit kaum zu erreichen. Wenn der Koalitionsvertrag „Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit“ zum Ziel der Grundsicherung erhebt, sind langjährige Arbeitslose nicht erfasst. Die flächendeckende Einführung von Jugendberufsagenturen bedarf der Zusage, dass die Federführung und Steuerung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe erfolgt, da die weitest gehende Zielsetzung im SGB VIII umgesetzt wird. Soweit das „Spätstarter-Programm“ tatsächlich einen Einstieg in eine existenzgesicherte Ausbildung für junge Erwachsene umsetzt, kann dieser Ansatz erfolgreich sein. Die Bereitschaft und das Durchhaltevermögen junger Erwachsener müssen mit Unterstützung der Träger der Jugendberufshilfe abgesichert werden. Junge Menschen sind in der Krise, als diejenigen mit dem höchsten Beschäftigungsrisiko am ehesten betroffen. Die Erhöhung des Eingliederungstitels um 1,4 Milliarden Euro, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, ist aus Sicht der jungen Generation zu begrüßen.

Die Zukunft lacht, wenn ausreichend Mittel zur Verfügung stehen um die Integration aller Gruppen junger Arbeitssuchender in den Arbeitsmarkt umzusetzen.

Gute Arbeit
(vgl. Kapitel 2.2 des Koalitionsvertrags)

Bewertung

Bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen gibt aus dem Blickwinkel des BDKJ eine Verbesserung. Bisher konnten Tarifverträge bisher nur dann für allgemein verbindlich erklärt werden, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigt haben. An dieser Hürde sind viele AVEs gescheitert. Die Koalition hat sich nun darauf geeinigt, dass bereits das Vorliegen eines „besonderen öffentlichen Interesses“ für die Verbindlichkeit eines Tarifvertrages ausreichend sei. Die ist laut Vertrag insbesondere dann gegeben, wenn 1.) die Funktionsfähigkeit der Sozialkassen gesichert werden soll, 2.) die AVE die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung „gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen sichert“ oder 3.) die „Tarifvertragsparteien eine Tarifbindung von mindestens 50 % glaubhaft darlegen“ können. Die Vermeidung untertariflicher Bezahlung, die insbesondere Jüngere betrifft, ist ein wichtiges Ziel.

Für junge Menschen, die überdurchschnittlich häufig von prekärer Beschäftigung und damit einhergehend niedriger Entlohnung betroffen sind, ist die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns bis 2017 von wahrscheinlich 8,50 € ein Signal, dass die Zukunft lachen könnte. Insbesondere für junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann der gesetzliche Mindestlohn das Risiko prekärer Beschäftigung vermindern und einen Beitrag zu gerechterer Entlohnung leisten. Ob es am Ende tatsächlich 8,50 € werden steht ohnehin noch in den Sternen, da erst eine Kommission der Tarifpartner zum 10. Juni 2017 – mit Wirkung für den 1. Januar 2018, einen verbindlichen Mindestlohn festlegen soll. Dieser könnte auch unter 8,50 € liegen. Daher wird der BDKJ den Prozess in den kommenden Jahren kritisch begleiten.

Auch beim Missbrauch von Werksverträgen und der Arbeitnehmerüberlassung scheint etwas in Bewegung zu kommen. Insbesondere die Werksverträge sind in den vergangenen Jahren in Misskredit geraten, da Unternehmerinnen und Unternehmer dieses Instrument dazu nutzten, um Menschen und ihre Arbeitskraft auszubeuten. Zwar will die Koalition die „rechtswidrigen Vertragskonstruktionen“ durch die Stärkung der Informations- und Unterrichtungsrechte der Betriebsräte sowie durch häufigere Finanzkontrolle verhindern, allerdings ist nicht gewährleistet, dass jedes Unternehmen einen Betriebsrat hat und dass die Länder und Kommunen tatsächlich neues Personal einstellen, um diese Kontrollen auch wirksam durchzuführen.

Gleiches gilt für die Novellierung der Arbeitnehmerüberlassung, bei der es aus der Sicht des BDKJ weiterhin Gesprächsbedarf geben wird. So sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter spätestens nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit der Stammbelegschaft gleichgestellt werden müssen. Der BDKJ fordert: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit!“. Lohnunterschiede zwischen Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern sowie der Stammbelegschaft sind auf Dauer nicht zielführend. Inwieweit die Senkung der Überlassungsdauer auf 18 Monate dem Ziel der Koalition, Leiharbeit wieder auf ihre Kernfunktion zurückzuführen erfolgreich ist, kann an dieser Stelle noch nicht abschließend beantwortet werden.

Damit die Zukunft lacht, braucht es „Gute Arbeit“, die oftmals prekären Lebenssituationen von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern sind gerade für junge Menschen oft ein schwieriger Start ins Berufsleben. Für diese „Gute Arbeit“ werden die angestrebten Änderungen, vor allem für junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die überproportional von Leiharbeit und Befristungen betroffen sind, nicht ausreichen. 

Soziale Sicherungssysteme
(vgl. Kapitel 2.3 des Koalitionsvertrags)

Zusammenfassung

Das Kapitel „Soziale Sicherheit“ behandelt im Kern das Thema Rente: 

Seit Anfang 2012 können langjährig Beschäftigte nach 45 Beitragsjahren und mit Erreichen des 65. Lebensjahrs ohne die sonst fälligen Abschläge in Rente gehen. Diese Ausnahmeregel, die mit der Rente mit 67 eingeführt wurde, wird nun erweitert: Langjährig Versicherte sollen vom 1. Juli 2014 an sogar mit dem vollendeten 63. Lebensjahr in Rente gehen können. Auch die Zugangsvoraussetzungen für diese Rente mit 63 werden erweitert: Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen bei den 45 Beitragsjahren künftig mit und damit wird unterbrochenen Erwerbsbiografien Rechnung getragen. Auf Dauer sollen die 63 Jahre aber nicht gelten. Das Eintrittsalter für die abschlagsfreie Rente wird parallel mit der Regelaltersgrenze jedes Jahr um einen Monat steigen. In 25 Jahren wäre dann also aus der abschlagsfreien Rente mit 63 wieder die abschlagsfreie Rente mit 65 geworden.

Die Einführung der „solidarische Lebensleistungsrente“ bedeutet, dass Minirenten von Geringverdienerinnen und -verdienern, die 40 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, nun bis auf 30 Rentenpunkte, das sind derzeit bis zu 850 Euro pro Monat, ab 2017 aufgestockt werden sollen. Bis 2023 sollen dafür auch 35 Beitragsjahre (inklusive Pflege- oder Kindererziehungszeiten) reichen. Weiter heißt es: „In allen Fällen werden bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre behandelt.“ Die Zusatzrente soll es aber nur nach einer „Einkommensprüfung“ geben. Nach 2023 soll eine zusätzliche Altersvorsorge Voraussetzung sein, um die neue Zusatzrente bekommen zu können. Am 1. Juli 2016 soll die Angleichung der Rentenansprüche von Ost und West eigentlich abgeschlossen sein. Falls dieses nicht der Fall ist, soll über weitere Teilangleichungen entschieden werden. 

Bewertung

Gerade junge Beschäftigte sind konfrontiert mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und geringen Löhnen, während gleichzeitig der Arbeitsdruck auf die einzelne Arbeitnehmerin und den einzelnen Arbeitnehmer steigt. Derzeit arbeitet die Hälfte der jungen Beschäftigten unter 35 Jahren in befristeten Arbeitsverhältnissen. 70 % arbeiten deutlich mehr bzw. länger, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart und können dennoch nicht mit einer angemessenen Rente rechnen. Rund ein Drittel der jungen Beschäftigten sorgt sich gar um ihre berufliche Zukunft. Die oftmals nicht freigewählten und diskontinuierlichen Erwerbsbiographien führen zu einer lückenhaften Rentenversicherungsbiographie und damit zu einer entsprechend niedrigen Rente. Im Koalitionsvertrag finden sich Hinweise darauf, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit auf den Rentenanspruch angerechnet werden können. Wie sieht es aber mit unbezahlten Praktika, befristeten Verträgen, Zeitarbeit, Werkverträgen, Minijobs etc. und somit geringeren Löhnen aus? Hierzu finden sich leider keine Aussagen.

 „Die Erwerbsarbeit ist der dominante Faktor der heutigen Gesellschaft. Erwerbsarbeit ist Voraussetzung für die Teilnahme am kulturellen, politischen und sozialen Leben und bestimmt den gesellschaftlichen Status.“ („Gerechte Generationenpolitik – zukunftsfähig und solidarisch“, Beschluss der BDKJ Hauptversammlung 2013). Dies schließt Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen können aus und verhindert ihre gesellschaftliche Teilhabe. Darüber hinaus führt dieser Umstand gerade finanziell zu teilweise existenzbedrohenden Lebenssituationen. Der Koalitionsvertrag behandelt diese Forderung unter dem Stichwort  „solidarische Lebensleistungsrente“, geht hierbei auch auf Geringverdienerinnen und –verdiener ein.

Damit die Zukunft lacht, fordert der BDKJ die Einführung einer bedingungslosen Grundrente. Sie soll aus allen Einkommensarten finanziert werden, als existenzsichernde Grundlage für ein würdevolles Leben nach dem aktiven Erwerbsleben. Die darüber hinaus erworbenen Rentenansprüche, die über paritätische Zahlungen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden aufgebaut werden, könnten nach dem Äquivalenzprinzip verteilt werden. Eine bedingungslose Grundrente ermöglicht jungen Menschen eine positive und angstfreiere Zukunftsperspektive, welche sich auch auf die eigene Lebenseinstellung und gesamte Gesellschaft auswirkt. Im Koalitionsvertrag gibt es hierzu keine Aussagen.

Damit die Zukunft wirklich lacht brauchen wir aber ein deutliches Umdenken insbesondere in Bezug auf die Rentenpolitik.