Kultur und digitale Medien

Digitale Infrastruktur
(vgl. Kapitel 1.3 des Koalitionsvertrags)

Zusammenfassung

Zentrales Ziel ist der flächendeckende Breitbandausbau mit einer Grundversorgung von mindestens 50 Mbit/s bis 2018, um die digitale Spaltung zwischen gut versorgten Städten und schlecht versorgtem ländlichem Raum zu überwinden. Versorgung mit schnellem Netz wird als Teil der Daseinsvorsorge betrachtet. Dafür sollen Mittel zur Verfügung gestellt werden und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und Kommunen geschaffen werden. 

WLAN im öffentlichen Raum soll gefördert werden, die Haftung geklärt werden und analog zu Zugangsprovidern gestaltet werden (Abschaffung der „Störerhaftung“). Dabei sollen lokale und dezentrale, möglichst heterogene Formen und Netze unterstützt werden. Provider sollen ihren Kundinnen und Kunden nicht mehr vorschreiben dürfen, welche Geräte sie zum Netzzugang zu verwenden haben (so genannter „Routerzwang“).

Schließlich bekennt sich der Koalitionsvertrag zur Netzneutralität, die als „diskriminierungsfreie Transport aller Datenpakete im Internet“ definiert wird.

Bewertung

Die Verfügbarkeit von schnellem Internet ist eine wesentliche Voraussetzung von Teilhabegerechtigkeit in einer zunehmend vernetzten Welt.

Die Zukunft lacht, wenn zur Verwirklichung gleicher Teilhabechancen der geplante flächendeckende Breitbandausbau umgesetzt wird. Indem dies als Teil der Daseinsvorsorge gefasst wird, wird der Stellenwert des Netzes für Kinder und Jugendliche (und auch für die Gesellschaft insgesamt) deutlich gemacht. Das gesetzte Ziel von 50 Mbit/s flächendeckend ist ambitioniert. Bandbreitenbedarfe werden immer größer, gerade durch das Streaming von Videoinhalten, aber auch der zunehmenden Verlagerung vieler Daten in die Cloud. Gerade in Familien mit mehreren Kindern wird viel Bandbreite benötigt. Die Förderung dezentraler Netze und der Abbau von Hürden für WLAN-Zugänge im öffentlichen Raum ist zu begrüßen, auch die mitgedachte Sensibilisierung für Datenschutzprobleme in öffentlichen Netzen. Öffentliche Netze sind hilfreich, um Kinder und Jugendliche nicht allein von Mobilfunkprovidern für mobilen Netzzugang abhängig zu machen. Auch die Abschaffung der „Störerhaftung“ ist dringend nötig, war sie doch bisher eines der großen Hemmnisse für die einfache Zurverfügungstellung von Funknetzen; mit einer Gleichstellung von Privatpersonen und Unternehmen (etwa Cafés) mit Zugangsprovidern hinsichtlich der Haftung wird das Anbieten von WLAN-Zugang deutlich einfacher. 

Die Zukunft lacht, wenn Netzneutralität, die für Teilhabegerechtigkeit und Innovation sehr wichtig ist, umgesetzt wird. Fehlende Netzneutralität trifft vor allem diejenigen, die sich teure Zusatzdienstleistungen nicht leisten könnten – also auch viele Kinder und Jugendliche – und innovative Netznutzungsformen, während ihr Fehlen großen Internetkonzernen und Zugangsprovidern nützt. Netzneutralität stellt sicher, dass Daten und Dienste allen gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Im Detail bleiben viele Fragen offen: Zwar wird das „Best-Effort-Internet“, also die echte Gleichbehandlung aller Daten, vordergründig weiterhin als gewollter Normalfall bezeichnet, im Nachsatz wird aber „Managed Services“ für bandbreitensensible Daten und Anwendungen ermöglicht, das freilich ohne „Deep Packet Inspection“, also die inhaltliche Analyse von Datenpaketen, schwer umzusetzen sein dürfte. In der Gesamtschau ist das auf den ersten Blick klare Bekenntnis zur Netzneutralität so klar nicht mehr. Es fehlt eine klare Benennung von Mindeststandards, die ein Netzzugang erfüllen muss, um als netzneutral zu gelten, und eine Absicherung der Verfügbarkeit von echtem Netz als Universaldienst analog zu Telefon und Post – Internet hat für Kinder und Jugendliche einen höheren Stellenwert und ist deutlich wichtiger für sie und ihre gesellschaftliche Teilhabe als andere Kommunikationsmedien. 

Kultur und Medien
(vgl. Kapitel 4.3 des Koalitionsvertrags) 

Zusammenfassung

Die Koalition bekennt sich zu einer umfassenden Kulturförderung im Rahmen des föderalen Kooperationsbündnisses zwischen Bund, Ländern und Kommunen und benennt dafür als umfassendes gemeinsames Ziel, „jedem Einzelnen unabhängig von seiner sozialen Lage und ethnischen Herkunft gleiche kulturelle Teilhabe in allen Lebensphasen zu ermöglichen.“ Im Fokus stehen dabei neben der Förderung und Investition der Erhalt von kulturellem Erbe und Denkmälern auch die soziale Absicherung von Kulturschaffenden sowie Fragen nach dem Umgang mit geistigem Eigentum unter den sich durch digitale Medien verändernden Bedingungen eines einheitlichen Urheberrechtes. Die Akteure des Vertrages führen dabei zum einen einzelne Kultureinrichtungen wie Museen, Gedenkstätten und Bauwerke sowie Kunstformen wie Tanz und Musik auf und betonen dabei besonders den geschichtlich-identitären Aspekt von Kulturförderung als Aufgabe des Erinnerns und Gedenkens, zum Beispiel der Opfer des Nationalsozialismus als auch der SED-Diktatur. Des Weiteren nimmt sich die Koalition vor, sich zum einen für eine Förderung privatwirtschaftlicher Medienakteure stark zu machen und zum anderen gemeinsam mit den Ländern, in deren Zuständigkeit diese Thema durch die Länderrundfunkanstalten liegt, an einer gemeinsamen Medienordnung zu arbeiten, die analoge wie auch digitale Medien miteinbezieht.

Bewertung

Kinder und Jugendliche spielen in diesem doch recht umfangreichen Abschnitt zur Kulturpolitik eine eher untergeordnete Rolle; wenngleich Kulturförderung hier als „Investition in die Zukunft“ und nicht als „Subvention“ bezeichnet wird, so ist dennoch die Frage zu stellen, weshalb die Förderung von Jugendverbänden zu oft und trotz des kürzlich durch den DBJR bekräftigten Rechtsanspruchs als „Subvention“ behandelt wird. Da Bildungs- und Kulturpolitik eher Länderaufgabe und nicht Aufgabe des Bundes sind, erscheint es auch verständlich, dass im Koalitionsvertrag nur sehr punktuelle Förderbezüge hergestellt werden können; kulturelle (Jugend-)Bildung als „unverzichtbar für die Persönlichkeitsentwicklung“ zu titulieren ist durchaus als Ausdruck eines common sense zu verstehen und hat im Zusammenhang mit der Unterstützung von kulturpolitischen Bündnissen ein entsprechendes Instrument gefunden. Interessant ist die in den Koalitionsvertrag aufgenommene, jedoch nicht weiter begründete Aussage, dass junge Menschen in Deutschland „enorme Wissensdefizite“ über „die beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts“ aufweisen würden und aus diesem Grund Handlungsbedarf für die schulische als auch die außerschulische politische Bildung bestünde; damit kulturpolitische Förderung zu begründen ist aus unserer Sicht einem defizitorientierten Bild von Kindern und Jugendlichen geschuldet.

Die Zukunft lacht, wenn Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft gleiche gute Zugangschancen zu verschiedenen schulischen und außerschulischen Angeboten der kulturellen und der politischen Bildung haben.

Es ist begrüßenswert, die Portabilität von digitalen Inhalten (z. B. ebooks, Musikdateien etc.) zu fördern, da gerade Kinder und Jugendliche so über mobile Endgeräte legal Content austauschen und teilen können. Implizit machen sich die Akteure auch für die schon lange geplante und immer wieder vertagte bzw. gescheiterte Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages durch die Länder stark; schwammig ist dagegen die Aussage, die Stärkung des deutschen Kinderfilms bei den zuständigen Akteuren zu „bewerben“, was letztlich nichts über die tatsächliche Handlung aussagt. Das Kino als kulturellen Ort auch abseits der großstädtischen Multiplex-Cines zu unterstützen, ist für Kinder und Jugendliche auf dem Land ein nicht unwesentlicher Ansatzpunkt des Koalitionsvertrages, da so der Lebensraum außerhalb der Urbanität attraktiv für Familien gehalten wird. 

Digitale Medien
(vgl. Kapitel 4.3 des Koalitionsvertrags)

Zusammenfassung

Das Urheberrecht soll den Erfordernissen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters angepasst werden unter Berücksichtigung digitaler Nutzungspraktiken und mit dem Ziel eines Interessensausgleichs zwischen Urheberinnen und Urhebern, Verwerterinnen und Verwertern und Nutzerinnen und Nutzern. Mittel dafür sind der Ausbau verbindlicher internationaler Vereinbarungen, Verbesserung der Rechtsdurchsetzung v.a. gegenüber Internet-Plattformen, und die Stärkung von Medienkompetenz. 

VerbraucherInnenrechte bei der langfristigen und geräteunabhängigen Nutzung gekaufter digitaler Daten sollen gestärkt werden. Im Urheberrecht soll die Nutzung von Daten für Bildung und Wissenschaft erleichtert werden, der Zugang zu öffentlich finanzierten Publikationen verbessert werden (open access). Elektronische Medien wie eBooks sollen steuerlich klassischen Medien wie Büchern gleichgestellt werden. 

Im Bereich digitale Medien wird ein Schwerpunkt auf Medienkompetenz und eine Stärkung des Jugendmedienschutzes gelegt. Dabei sollen gesetzliche Regelungen so angepasst werden, dass online wie offline gleiche Regeln gelten. Es soll eine Gesamtstrategie entwickelt werden, die »Regulierung, Anbieterverantwortung und Stärkung der Medienkompetenz miteinander verbindet«. Der Stellenwert von Computerspielen wird gewürdigt, der Deutsche Computerspielepreis soll weiterhin preiswürdige Computerspiele auszeichnen und weiterentwickelt werden. Digitale Spiele sollen in geeigneter Weise archiviert werden.

Bewertung

Leider werden die Vorhaben im Bereich Urheberrecht gerade für Kinder und Jugendliche nicht dem gerecht, was angestrebt ist:

Die Zukunft lacht, wenn es einen angemessenen Interessensausgleich zwischen Urheberinnen und Urhebern und Nutzerinnen und Nutzern gibt. Überhaupt nicht gewürdigt wird die kreative Weise, mit der sich Kinder und Jugendliche Kultur aneignen, etwa durch Zitate, Remixes, Mash-Ups, also allgemein der kreativen Weiterverarbeitung von Musik, Filmen und popkulturellen Zitaten. Das bestehende Recht kriminalisiert online vieles von dem, was bisher als völlig selbstverständliche Kulturtechnik gilt: Das Umdichten von Liedern, Collagen aus vorhandenem Material, generell den kreativen Umgang mit Kulturgütern. Dafür ist im Koalitionsvertrag überhaupt kein Bewusstsein vorhanden, und es ist zu befürchten, dass auch weiterhin weite Teile der Jugendkultur online kriminalisiert bleiben. Von erheblicher grundrechtlicher Bedeutung ist die Regulierung von Online-Plattformen und sozialen Netzen, die verstärkt in die Haftung genommen werden. Das wird dazu führen, dass im Zweifelsfall einer Löschung aus Angst vor Haftung der Vorrang eingeräumt wird und damit freie Meinungsäußerung beschnitten wird und Jugendkultur, die sich zu großen Teilen in sozialen Netzen abspielt, behindert und kriminalisiert wird.

Erfreulich ist das Vorhaben, VerbraucherInnenrechte beim Kauf von digitalen Medien zu verbessern, digitale Medien hergebrachten gleichzustellen und Forschung und Lehre im Urheberrecht zu privilegieren.

Die Zukunft lacht, wenn Verbraucherinnen- und Verbraucherrechte der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen besser gerecht werden und damit zeitgemäßer Unterricht gestärkt und so Bildung für alle gefördert wird.

Zum Jugendmedienschutz werden wenig konkrete Aussagen gemacht, da dieser Ländersache ist. Was angedeutet ist, klingt gut, birgt aber die Gefahr, dass unter dem Deckmantel des Jugendschutzes allgemein Meinungsäußerung im Netz behindert wird. Insbesondere würden verpflichtende Alterskennzeichnungen wie bei Filmen und Computerspielen für alle Netz-Inhalte dazu führen, dass erhebliche Rechtsunsicherheit entsteht, auch für Kinder und Jugendliche, die eigene Inhalte ins Netz stellen, da für Privatleute und Zivilgesellschaft eine sachgerechte Alterskennzeichnung nicht möglich ist.

Besonders gelungen ist die Würdigung der Computerspielekultur. Hier wird eine Kulturform ernstgenommen, die bisher in der Politik oft aus einer rein defizitorientierten Perspektive betrachtet wurde. Die Wertschätzung, die Computerspielen als archivierungswürdiges Kulturgut entgegengebracht wird, nimmt ihre Bedeutung für die Jugendkultur ernst und weist einem für Kinder und Jugendliche sehr relevanten Teil ihrer Freizeit einen angemessenen Stellenwert zu. 

Digitale Agenda
(vgl. Kapitel 4.4 des Koalitionsvertrags)

Zusammenfassung

Unter der Überschrift „Digitale Agenda“ beschreibt die Koalition zum einen die Chancen und Potentiale digital basierter oder gelenkter Wirtschaftssektoren und zum anderen die Möglichkeiten für Bildung und Forschung auf der Grundlage einer digital organisierten Gesellschaft. In dem Ziel, für die Jahre 2014-2017 eine digitale Agenda zu beschließen, die diese Bereiche systematisch ausbaut und fördert, sieht die Koalition zugleich ein Instrument, Deutschland innerhalb Europas auch in digitaler Hinsicht zum „Wachstumsland Nr. 1“ zu machen.

Im Zuge der Förderung der Digitalwirtschaft nimmt sich die Koalition vor, die bestehenden Strukturen zum Beispiel durch die Verringerung der Bürokratie, den Ausbau von Beratungsangeboten, den Aufbau von Kompetenzzentren und Modellregionen sowie neue und erweiterte Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen für IT-Fachkräfte zu flexibilisieren und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit, besonders im internationalen Vergleich, anzuregen. In Bezugnahme auf das Thema Bildung und Wissenschaft sieht die Koalition einen wesentlichen Bestandteil ihrer Strategie in der Steigerung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Maßnahmen in diesem wie auch im Bereich Kinder- und Jugendschutz sollen evaluiert und ausgebaut werden sowie ein „Freiwilliges Soziales Jahr Digital“ als Modellprojekt initiiert werden. Für Forschungseinrichtungen und Hochschulen nehmen sich die Akteure vor, im Rahmen eines eigenen Programms die Vernetzung von Open Access Data zu fördern und zugleich ein Internet-Institut zu gründen, das sich wissenschaftlich mit allen Bereichen des digitalen Lebens beschäftigen soll. 

Bewertung

Aus kinder- und jugendpolitischer Sicht ist vor allem der zweite Abschnitt von Bedeutung: Die „Medienkompetenz junger Menschen zu steigern“ ist ein mehr als begrüßenswertes wie auch notwendiges Ziel der Koalition, macht aber in der fortgehenden Formulierung auch deutlich, dass zunächst von einer potentiellen ‚Gefahr‘ aus dem Internet ausgegangen wird, vor der Kinder und Jugendliche anhand von Kompetenzentwicklung geschützt werden können. Dass die Koalition darin auch den Schlüssel für einen sicheren Umgang mit Daten und privaten Informationen sieht, ist angesichts der NSA-Affäre und der ebenso beschlossenen Vorratsdatenspeicherung eher unverständlich bis paradox, macht aber auch deutlich, dass das genannte Leitbild der „digitalen Selbstständigkeit“ auf der Zuschreibung einer Defizitorientierung beruht, die seltener die Chancen und Potentiale eines sicheren Umgangs mit digitalen Medien betont als die präventiven Maßnahmen. Die Förderung der Initiative „Ein Netz für Kinder“, die zum Ziel hat, einen geschützten Surfraum im Internet zu schaffen, ist als reines Vorhaben zwar einerseits löblich, jedoch wird aus der Medienpädagogik immer wieder dazu die berechtigte Frage laut, weshalb die Initiative von großen Telekommunikationskonzernen finanziert wird und inwiefern diesen so ein Zugriff auf Kinder ermöglicht wird. 

Die Zukunft lacht, wenn an Bestrebungen die Medienkompetenz für junge Menschen zu steigern, auch Vertreterinnen und Vertreter von Jugendverbänden, zum Beispiel über den DBJR, beteiligt werden, um auch außerhalb von Akteurinnen und Akteuren des Jugendmedienschutzes mit einer starken Stimme für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu sprechen. Nicht zuletzt wäre es ebenso möglich, statt eines parallelen Netzes für Kinder die Erstellung von dezidiert kindgerechtem Content seitens der Anbieter zu fördern.

Ob es wie im Vertrag formuliert ein „FSJ digital“ braucht ist fraglich: Ein Freiwilligendienst kann auf unterschiedliche Art und Weise Medienkompetenz vermitteln und dabei das bereits erlernte und erfahrene Mediennutzungsverhalten kritisch hinterfragen. Dafür bedarf es aus unserer Sicht jedoch keines zusätzlichen Modellprogramms „FSJ digital“. Vielmehr sollte Medienbildung verstärkt zur Querschnittsaufgabe der Seminararbeit sowie der pädagogischen Begleitung in den unterschiedlichen bereits bestehenden Freiwilligendienstformaten werden. Ausgestattet mit vielfältigen medialen und digitalen Kompetenzen gelingt es jungen Menschen umso erfolgreicher ihre reale Welt zu gestalten.

Digitale Sicherheit und Datenschutz
(vgl. Kapitel 5.1 des Koalitionsvertrags)

Zusammenfassung

Im Bereich innere Sicherheit werden wesentliche Teile der Netzpolitik verhandelt. Dazu gehört die Vorratsdatenspeicherung, digitale Sicherheit und Datenschutz. Ziel der Koalition sei es, »die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und bewahren«. Dazu soll die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt werden, also die anlasslose Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten aller Kommunikationsvorgänge über einen bestimmten Zeitraum. Dabei soll auf EU-Ebene eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate erreicht werden. Im Bereich digitale Sicherheit und Datenschutz liegt der Schwerpunkt auf Cyberkriminalität. Im Strafrecht sollen Schutzlücken geschlossen werden und Regelungen systematisiert werden. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Schutz vor Beleidigungen und Cybermobbing in sozialen Netzen. Hier soll das Melden und Anzeigen vereinfacht werden. Die IT-Infrastruktur soll verstärkt national gestaltet werden, es ist die Rede von »Rückgewinnung technologischer Souveränität«, das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (IT-Grundrecht) soll über die Rechtssprechung des BverfG hinaus genauer bestimmt werden. Bei der EU-Datenschutzverordnung sollen die hohen deutschen Datenschutzstandards gesichert werden. Hinsichtlich der NSA-Affäre soll für Aufklärung gesorgt werden, Ziel ist ein völkerrechtliches Abkommen zum Schutz vor Spionage.

Bewertung

Dem Ziel, Freiheit und Sicherheit in Balance zu bringen, werden die entsprechenden Abschnitte im Koalitionsvertrag nicht gerecht. Primäres Ziel ist bei allen Maßnahmen vermeintliche Sicherheit, während Freiheitsrechte nur am Rande auftauchen: Es geht fast nur um innere Sicherheit, kaum um Bürgerrechte. 

Die Zukunft lacht, wenn im Sinne der Jugendlichen Freiheit und Sicherheit im Netz in Balance gebracht werden und nicht bei allen Maßnahmen zur vermeintlichen Sicherheit die Freiheits- und Bürgerrechte nicht mitbedacht werden.

Für Kinder und Jugendliche ist das Netz ein selbstverständlicher Teil ihrer Lebenswelt. Ein großer Teil ihres Soziallebens wird durch das Netz ergänzt, über das Netz organisiert und mit und im Netz gestaltet. Dem wird eine rein defizitorientierte Sichtweise nicht gerecht. Vorratsdatenspeicherung als Totalerfassung aller digital vermittelten Lebensvollzüge (Speicherung von Positionsdaten von Handys, von Metadaten des E-Mail-Verkehrs, von besuchten Seiten) stellt weite Teile des Handelns unter potentielle staatliche Kontrolle; die Einschränkung auf die Verfolgung schwerer Straftaten wirkt nicht glaubwürdig, bereits jetzt wird (vor allem von Seiten der Musikindustrie und der Polizei) auf eine umfassende Nutzung gedrängt. Das ist für Kinder und Jugendliche noch problematischer als für weniger im Netz präsente Bevölkerungsschichten.

Die Zukunft lacht, wenn grundsätzlich ein verbesserter Schutz vor Beleidigung und Cybermobbing erreicht wird, wobei genau geprüft werden muss, welche Sicherheitslücken konkret bestehen (bei den unter Kindern und Jugendlichen verbreiteten Netzen, vor allem Facebook, ist ohnehin eine nichtanonyme Nutzung üblich, und auch der Youtube-Betreiber Google will weg von anonymer Nutzung) und wie das grundrechtskonform ausgestaltet wird – die Möglichkeit anonymer Kommunikation ist für Kinder und Jugendliche wichtig, etwa in Hinblick auf Beratungsangebote, die zweckmäßig auch dort ansetzen, wo Kinder und Jugendliche präsent sind, also in sozialen Netzen.

Beim Thema Datenschutz fehlt eine Zukunftsperspektive; es wird nicht genügen, das deutsche Datenschutzniveau zu halten ohne eine Weiterentwicklung, die die selbstverständlichen Kommunikationspraktiken und -bedürfnisse nicht nur von Kindern und Jugendlichen lebensnah und realistisch  berücksichtigen. Ein Datenschutzrecht, das Soziale Netze von vornherein als unzulässig für die Verwendung durch Schulen und Behörden ansieht, ist nicht zukunftssicher – es besteht die Gefahr, dass eine solche weltfremde Auslegung dazu führt, dass Datenschutz generell bei den Menschen die Legitimation verliert.

Sichere Dateninfrastruktur soll primär über eine Nationalisierung des Netzes erreicht werden; es ist die Rede von »Rückgewinnung technologischer Souveränität« – das ist Symbolpolitik, die einer global vernetzten Welt nicht gerecht wird, nationalistische Alleingänge anderer Staaten (Iran, China) legitimiert und eine technische Scheinlösung für ein Problem darstellt, das im Koalitionsvertrag nicht einmal als grundsätzliches Freiheitsproblem erkannt wird, sondern nur unter nationalen Interessen verhandelt wird: Die Totalüberwachung durch Geheimdienste. Verschwiegen wird, dass ein derart nationalisiertes Netz und nationalisierte Infrastruktur besonders gut für die umfassenden Kontroll- und Überwachungsprogramme, die im Koalitionsvertrag angekündigt werden, geeignet ist.