Homosexualität in der katholischen Kirche = Sünde?

Unsere Forderung: Segnet gleichgeschlechtliche Paare!

Wir erwarten, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Liebesbeziehungen akzeptiert und respektiert werden. Dazu gehört nach unserem Verständnis die Möglichkeit einer Segnung für gleichgeschlechtliche Paare.

Homosexualität – Das steht in der Bibel

Das Verständnis von Sexualität hat sich im Laufe der Geschichte verändert. So kennen weder die Antike noch die Bibel unser heutiges Verständnis von sexueller Orientierung und gleichgeschlechtlicher Liebe. Damals kannten die Menschen keine auf Dauer angelegte Liebesgemeinschaft zwischen zwei Männern oder zwei Frauen. Es gibt aber Textstellen in der Bibel, denen Menschen Urteile über gleichgeschlechtliche Liebe zuschreiben. Oft übergehen sie dabei, dass bei einem biblischen Text sein sozialer, kultureller und geschichtlicher Kontext berücksichtigt werden muss, damit der Text in seiner ursprünglichen Absicht richtig verstanden werden kann.

Beachtet man diese Faktoren, stellt man schnell fest, dass die Bibel einfach keine Grundlage für die Verurteilung von gleichgeschlechtlicher Liebe im heutigen Verständnis bietet.

Beispiele aus der Bibel zu Homosexualität

Sodom und Gomorrha

In Genesis 19 wird die Erzählung über die Städte Sodom und Gomorrha überliefert. Zwei Engel besuchen Lot in Sodom. Lot lädt sie in sein Haus ein und gewährt ihnen damit das Gastrecht; er stellt die Fremden unter seinen Schutz. Die männlichen Stadtbewohner Sodoms verlangen von Lot, dass er seine Gäste herausgibt, damit sie mit ihnen „verkehren“ können. Diese Forderung wird von Lot als „böse“ bezeichnet und somit verurteilt.

Machtdemonstration ist Sünde – nicht Homosexualität

Müssen wir jetzt annehmen, dass alle Männer Sodoms homosexuell sind? Wohl kaum. Denn: Die Männer Sodoms handeln mit der Absicht, das Gastrecht zu brechen, das Lot seinen Gästen gewährt. Indem sie die Fremden unterwerfen, sie vergewaltigen und demütigen, würden sie ihre Macht demonstrieren. In der Antike war das eine verbreitete Taktik im Krieg. Folglich ist die Sünde der Männer von Sodom nicht Homosexualität, sondern die Demütigung von Schutzbedürftigen und die Ausübung von sexualisierter Gewalt.

Laster und Sünden im Brief an Paulus

Auch im Brief von Paulus an die junge Gemeinde in Rom findet sich eine Stelle, die häufig gegen gleichgeschlechtliche Liebe vorgebracht wird; Röm 1,26-27. Zu Beginn des Kapitels geht es um den Zustand der Menschen. Sie beten falsche Götter an, infolgedessen entstehen Laster und Sünden. Homosexualität wird als eine Folge genannt und als „widernatürlicher Verkehr“ bezeichnet.

Rollenverständnis im antiken Rom ist Grund für Stigmatisierung

Für diese Stelle gibt unterschiedliche Auslegungen. Doch auch hier muss das Augenmerk auf dem sozialen, zeitgeschichtlichen Hintergrund von Paulus liegen, um die Textstelle in seiner ursprünglichen Absicht zu verstehen. Beschäftigt man sich mit seinem Hintergrund genauer, fällt schnell auf, dass er die gängige römische Auffassung teilt, es gebe eine natürliche Ordnung des Geschlechtsverkehrs. „Natürlich“ meint hier keine schöpfungstheologische Ordnung, sondern die gesellschaftliche Konvention Roms zu der Zeit.

Kleiner Exkurs: Dem Mann wurde in der römischen Antike der aktive Part beim    Geschlechtsverkehr (sowie im gesamten öffentlichen Leben) zugesprochen, während die Frau sich passiv unterzuordnen hatte.

Den Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau bezeichnet Paulus also deshalb als natürlich, weil die gesellschaftliche Rangordnung unangetastet bleibt: Der römische, freie Mann dominiert die Frau. In dieser Logik wird es als widernatürlich verstanden, wenn zwei freie männliche Bürger miteinander verkehren, da ein Mann die passive Rolle einnehmen muss und sich somit unterlegen, „weiblich“, zeigt – das war im sozialen Gefüge Roms gesellschaftlich verpönt. Denselben Hintergrund hat übrigens auch die Stelle im 1. Korintherbrief (1Kor 11), in der Paulus schreibt, dass es gegen die männliche Natur ist, das Haar lang zu tragen. Es ist keine Frage der Natur (im biologischen Sinn), sondern eine Frage der gesellschaftlichen Konvention.

Der Grund für die Verurteilung von gleichgeschlechtlichem Verkehr ist demzufolge in der Rollenvorstellung des antiken Roms zu suchen. Eine Stigmatisierung von gleichgeschlechtlicher Liebe aus heutiger Sicht kann aus der Bibel nicht abgeleitet werden.

Das ist die aktuelle Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren in der katholischen Kirche in Deutschland

Das sagt das katholische Lehramt zu Homosexualität

„Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, „dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“ (CDF, Erkl. „Persona humana“ 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“

Katechismus der Katholischen Kirche (1997) Nr. 2357

Das heißt:

Aktuell können sich homosexuelle Paare nicht kirchlich heiraten und sich auch nicht von einem Priester in Anwesenheit von Freund*innen und Familie segnen lassen. Des Weiteren leben gleichgeschlechtliche Paare „in Sünde“ und müssen laut Katechismus auf die Kommunion verzichten. Es hängt von der Gemeinde und dem Priester vor Ort ab, wie streng diese Regeln gelebt werden.

Gleichzeitig begeben sich Priester, die gleichgeschlechtliche Paare den Segen nicht verweigern möchten, auf dünnes Eis: Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass ein Pfarrer in der Schweiz ein lesbisches Paar gesegnet hatte, erklärte der Ortsbischof, dass dieser Pfarrer seine Gemeinde zu verlassen habe.

Deutsche Bischöfe zum Thema Homosexualität in der Kirche

In den vergangenen Jahren hat sich hier einiges getan. Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, forderte kürzlich „Lösungen, die nicht nur im Privaten greifen, sondern auch eine öffentliche Sichtbarkeit haben“. Gleichzeitig erklärte er, dass deutlich werden müsse, „dass keine Ehe gestiftet wird“. In seinem Bistum Limburg läuft aktuell ein Beratungsprozess, in dem Theolog*innen um Stellungnahmen bezüglich einer möglichen Segnung gebeten werden. Am Ende dieses Prozesses könnte eine Form eines Ritus für eine Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren stehen.

Katholik*innen setzen sich für gleichgeschlechtliche Paare ein

Dass sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat, ist unter anderem dem ZdK zu verdanken. Im Beschluss „Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen“ wird im Jahr 2015 eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gefordert. Im ZdK hatte sich der BDKJ für eine solche Positionierung stark gemacht. Einige Jahre zuvor wäre ein solcher Beschluss wohl noch undenkbar gewesen. Wichtig ist auch das Engagement homosexueller Menschen in der Kirche, etwa in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK).

Darum setzen wir uns für die Segnung homosexueller Paare ein

Katholische Kirche und das Naturrecht

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden von der Kirche an einer Norm bemessen, die dem sogenannten Naturrecht entspricht. Dieser Norm folgend beurteilt das katholische Lehramt die Partnerschaft von Mann und Frau als „natürlich“. In dieser Logik geht das Lehramt dann davon aus, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht der Natur des Menschen entsprechen, also widernatürlich sind.

Aber das Naturrechtsdenken lässt sich nicht in Einklang bringen mit Erkenntnissen der human-wissenschaftlichen, psychologischen und naturwissenschaftlichen Forschung. Das Naturrecht weist auch innerhalb des eigenen Systems erhebliche Logiklücken auf.

Das Argument der Fruchtbarkeit wird in Bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften immer wieder angeführt. Da durch gleichgeschlechtliche Liebe keine Nachkommen gezeugt werden können, seien gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht in Ordnung, so die Argumentation. Doch auch dieses Argument muss kritisch betrachtet werden: Während das Kriterium für heterosexuelle Beziehungen immer wieder relativiert und ausgedehnt wird, wird es andersherum für gleichgeschlechtliche Liebe betont.

 

Liebt einander!

Argumentationshilfe zum Umgang mit der katholischen Sexuallehre.

Kontakte

Gregor Podschun

BDKJ-Bundesvorsitzender
Tel. 02 11 / 46 93 - 162
podschun[at]bdkj.de