Privilegien und Widersprüche

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(Bild: BDKJ-Bundesstelle)

Wie arbeiten Kirche und Staat in Litauen zusammen (oder auch nicht)? Diese Frage und weitere zum Thema konnte uns Vygantas Malinauskas, einer von zwei Anwälten der Litauischen Bischofskonferenz bei einem abendlichen Treffen in Kaunas beantworten. Die Katholische Kirche ist in Litauen als traditionelle Religion anerkannt. Im Vergleich zu anderen Kirchen, wie der orthodoxen oder der evangelischen, hat sie dabei eine Sonderstellung, die auf eine Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl zurückgeht. Daraus ergibt sich bereits eine der großen Herausforderungen, vor denen die Kirche heute steht: Warum hat die Kirche besondere Privilegien; warum sind nicht alle Religionen gleichgestellt? Diese Fragen werden heute unter anderem von Jurist*innen aufgeworfen. Des Weiteren gibt es Stimmen, die fordern, dass die Kirche aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen werden sollte. Die Politik sollte von religiösen Argumenten nicht beeinflusst werden.

Bemerkenswert ist, dass in der litauischen Verfassung  kein Wort darüber steht, dass Staat und Kirche getrennt werden sollten. Dieser Grundsatz ist nichtsdestotrotz fest verankert, da noch zu Sowjetzeiten eine strenge Trennung erfolgte; Kirche agierte in der Sowjetunion vor allem im Untergrund. Auch die allgemeine Bevölkerung – obwohl sie mehrheitlich katholisch ist – ist eher gegen den Einfluss von Kirche auf die Politik. Die Katholische Kirche kann heute insbesondere in ethischen Fragen die Gesetzgebung in Litauen beeinflussen, z. B. die künstliche Fortpflanzung und Abtreibung betreffend. Dabei ist sie nicht immer so erfolgreich wie gewünscht. Progressivere Kräfte üben ebenfalls Druck auf die Regierung aus, sodass z. B. die Debatte um Liberalisierung oder Einschränkungen in der Reproduktionsmedizin andauert.

Die Beziehung der Kirche zum Staat ist ambivalent. Die Litauische Katholische Kirche ist arm und von relativ geringen Zuschüssen des Staates abhängig (daneben erhält sie Gelder aus dem Ausland, unter anderem aus Deutschland). Auch müssen Priester keine Steuern zahlen und bekommen vom Staat eine Sozial- und Krankenversicherung gezahlt. Dafür musste der Staat nach dem Zerfall der Sowjetunion kein Eigentum an die Kirche zurückgeben. Somit kann auch der Staat Druck auf die Katholische Kirche ausüben, denn ohne finanzielle Hilfe käme sie laut Malinauskas in große Schwierigkeiten.

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