9 - Weitere Herausforderungen und Vorschläge

Im Freitextfeld zum Abschluss der Umfrage wurde von einem Viertel der Teilnehmenden Einträge hinterlassen. Diese sind fast ausnahmslos als Wünsche an oder für die Kirche formuliert, viele Einträge enthielten mehr als einen Aspekt.

Am häufigsten genannt wurde hierbei das Themenfeld der Homosexualität, ein Drittel der Antwortenden äußerte sich hierzu mit der Forderung, Homosexualität als natürlich anzuerkennen und in homosexuellen Beziehungen lebende Menschen nicht zu diskriminieren. Demgegenüber forderte mit weniger als 0,5% eine verschwindend geringe Zahl von Teilnehmenden, weiterhin die Ablehnung der Homosexualität zu vertreten.

Je ein Viertel der Antwortenden wünscht sich von der Kirche Toleranz statt Bewertung der Lebensformen und dass die Kirche mehr von Werten statt von Regeln sprechen solle, sowie eine Verheutigung der kirchlichen Lehre. Dieser Wunsch wurde zumeist mit den auch in den übrigen Antworten am häufigsten genannten Themen Homosexualität, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Verhütung und Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen verknüpft. Die kirchliche Lehre zu diesen Punkten wird als unvereinbar mit heutigen Lebensrealitäten wahrgenommen, als veraltet und auf überholtem Wissensstand aufbauend, sowie als autoritär, ohne Autorität durch Kompetenz verdient zu haben: „Ich kann in dieser Thematik die Kirche leider nicht (mehr) ernst nehmen. Das finde ich schade.“ (m, 27J) 

Zugleich wird die selbstbewusste Gewissensentscheidung offensiv verteidigt und werden die kirchlichen Vorgaben im Bereich der Beziehungsgestaltung als unangemessen zurückgewiesen: „Die Kirche hat meiner Meinung nach nicht das Recht, sich in solche intimen Fragen derart einzumischen. Sie sollte viel eher zu einem verantwortungsvollen Umgang anregen, der aber zeitgemäß sein muss.“ (w, 24J)

Die Teilnehmenden wünschen die Verheutigung der kirchlichen Lehre zum Beispiel im Bereich der Empfängnisverhütung nicht deswegen, weil dies sie selbst aus einem Gewissenskonflikt befreien würde. Für sie selber spielt es keine Rolle, ob die Kirche z.B. Präservative erlaubt oder nicht, weil sie sich in diesem Punkt nicht nach der kirchlichen Lehre richten. Sie geben als Motivation an, dass die Kirche auch zu anderen Themen nicht mehr gehört würde, wenn ihre Lehre als irrelevant für die eigenen Gewissensentscheidungen wahrgenommen würde. Auch häufig genannt wird die Erwartung, dass durch eine Aufhebung des Verbots, Präservative zu benutzen, die HIV-Ansteckungsrate gesenkt werden könne, weil vorausgesetzt wird, dass die Kirche in Länder mit hoher HIV-Ansteckungsrate noch mehr Gehör in diesen Fragen finde. 

Die Forderung der Verheutigung entspringt häufig der Motivation, dass das Evangelium und die Grundwerte der Kirche weiterhin Gehör finden sollten: „Kirche muss sich die den Fragen Ehe, Familie, Verhütung, AIDS etc. dem 21. Jahrhundert stellen, nur eine Kirche, die Antworten auf unsere Lebenswirklichkeit gibt, kann Beispiel sein.“ (w, 22J)

Bei den Einträgen in den Freitextfeldern wird häufig der Skandal der in der Kirche verübten sexuellen Gewalt angesprochen. Zum Problem, dass die kirchliche Lehre in den Einzelheiten von den meisten Teilnehmenden ohnehin für ihr persönliches Leben kaum Relevanz hat, kommt somit ein Glaubwürdigkeitsproblem. 

Diejenigen, die angeben, sich in Gänze an die kirchliche Lehre zu Ehe und Familie zu halten, geben als Motivation eben die Kenntnis und Wertschätzung der kirchlichen Lehre an. Ob sie eine Modifizierung der kirchlichen Lehren als legitim bewerten würden, muss offen bleiben.